In den ersten Wochen, Monaten und Jahren lernt das Baby und Kleinkind so viel wie nie wieder in seinem Leben. Die Freude am Lernen ist angeboren. Es gilt, sie zu fördern und zu erhalten. Denn der unermüdliche Lerneifer der Kleinen ist ein wertvoller Schatz!
Wie kleine Kinder lernen
Wann und wie lernen Kleinkinder? Um diese Frage zu beantworten, muss man erst überlegen, was Lernen ist: Man begegnet einem neuen Wissensgebiet und versucht es zu ergründen. Diesen Moment erlebt ein Kleinkind jeden Tag unzählige Male. Immer gibt es etwas, das neu ist und das es herausfinden möchte. Kleinkinder lernen fast während ihrer gesamten Wachzeit.
Weil das Lernen in diesem Alter anders aussieht als beim Büffeln in der Schule, nahm man es früher kaum wahr. Denn Kleinkinder lernen in eigener Regie. Sie brauchen keine Lehrkräfte, die ihnen die Lerninhalte vermitteln. Stattdessen erarbeiten sie sich ihren Lernstoff im scheinbar ziellosen Spiel. Und ihr Lernmaterial sind keine Bücher, sondern Spielzeuge und jede Menge Alltagsmaterialien.
Was Kleinkinder beim Spielen lernen
So etwa sieht Lernen bei Kleinkindern aus: Lea schiebt am Badschrank Schubfach für Schubfach auf, räumt alle Dinge heraus und sortiert sie danach wieder anders ein. Henry baut einen Turm, um ihn gleich wieder mit großem Gepolter zu zerstören. Und Louisa „telefoniert“ mit einem Bauklotz. Zumindest das letzte sieht süß aus, aber was lernt sie dabei?
Oft fällt es Erwachsenen schwer, im scheinbar sinnlosen Spiel kleiner Kinder das Lernen zu erkennen. Dabei sind es grundlegende Fragen, die Kleinkinder im Tun untersuchen. Beim Ausräumen der Schublade untersucht Lea nicht nur die darin liegenden Dinge. Sie erkundet zum Beispiel auch, ob Gegenstände „weg“ sind, wenn sie gerade nicht sichtbar sind. Wenn Henry Klötze stapelt, untersucht er Statik: Wie macht man, dass etwas hält? Beim wiederholten Umkippen erforscht er die Schwerkraft: Fällt wirklich alles herunter? Louisa versucht mit Nachahmung zu verstehen, warum Erwachsene so aufgeregt in kleine Kästen sprechen. Hinter allen wiederholten Beschäftigungen von Kleinkindern steckt das Interesse, die Geheimnisse der Welt zu entschlüsseln.
Wie Erwachsene Kinder beim Lernen fördern können
Auch wenn Kleinkinder von sich aus lernen, kommt unserer Reaktion als Eltern große Bedeutung zu. Schließlich wollen die Kleinen wissen: Ist es gut, was ich tue, oder ist es falsch, vielleicht auch gefährlich? Sie brauchen also unsere Unterstützung und unser Interesse bei ihrem Lernen.
Das ist manchmal leichter gesagt als getan. Natürlich nervt es, wenn die Schublade schon wieder ausgekippt wurde oder der Bausteinturm laut krachend umkippt. Aber wir Eltern sollten bedenken: Jedes Mal, wenn ich eine Tätigkeit meines Kindes tadle oder unterbinde, nehme ich ein kleines Stück seiner Lernfreude weg. Natürlich gibt es gefährliche Dinge, die man seinem Kind verbieten muss. Jedoch muss man so sparsam wie möglich mit diesen Lern-Bremsen umgehen. Denn bekommt das Kind allzu oft mit, dass uns sein Lerneifer stört, versiegt dieser irgendwann.
Welche Dinge kleine Kinder brauchen, um begeistert zu lernen
Um den Lerneifer des Kindes anzufeuern, sollten Sie möglichst viel „Lernmaterial“ bereitstellen, bei dem man nicht eingreifen muss. Leert beispielsweise ein Kind wie Lea gerade begeistert Kästen aus, sollte man nicht alle Schubladen verriegeln. Stattdessen ist jetzt der richtige Moment, möglichst viele Kästen bereitzustellen, die sie unbesorgt ausleeren kann. Es ist hilfreich, immer die aktuellen Lieblingsspiele des Kindes zu kennen, um das passende Material anzubieten. Gerade jetzt, wenn Henry so begeistert Türme baut und umkippt, lohnt sich das Bereitstellen weiterer Dinge zum Stapeln.
In der Spielecke des Kindes sollte dafür ein guter Mix aus Alltagsmaterialien und passenden Spielzeugen bereitliegen. Alltagsgegenstände sind wichtig, weil sie zu Ihrer Wohnung gehören und das Kind unbedingt herausfinden möchte, welche Eigenschaften sie haben und wozu man sie braucht. Bei den Spielzeugen sollte erstens im Mittelpunkt stehen, was und wie viel das Kind damit erkunden kann. Zweitens kommt es darauf an, ob das Spiel zum aktuellen „Untersuchungsgebiet“ des Kindes passt. Turmbauer Henry kann Geschicklichkeits-Bauspiele wie die „Wackelsteine“ von Selecta® jetzt hervorragend brauchen, um immer kniffeligere Türme zu bauen. Lea, die gerne ausräumt und zurücksortiert, dürfte sich über eine Sortierbox freuen.
Wie Sie Ihr Kind mit Ihrem Interesse unterstützen
Vor allem sollten Sie Ihrem Kind immer wieder zeigen, dass Sie sein Tun richtig und wichtig finden. Dazu ist es gut, als Eltern ab und an mitzuspielen. Schon, um sich mit dem Kind zu freuen: „Unser Turm ist wirklich toll geworden, oder?“ Nutzen Sie immer wieder Spielmomente als Gesprächsanlass. Wenn Sie sehen, dass Ihr Kind vertieft Dinge tut, können Sie nachfragen und kommentieren, was gerade passiert: „Oh, du räumst die Schüsseln aus! Viele Schüsseln, oder? Rote, blaue, gelbe …“ Solche einfachen Sätze zeigen dem Kind: Ich sehe, was du tust. Ich finde es gut. Ich helfe dir, das Erlebte zu verstehen und in Worte zu fassen.
All das unterstützt den Forschergeist Ihres Kindes und stärkt die Freude am Lernen.
Dies ist ein Artikel unseres Gastautors Michael Fink. Er ist als Dozent in der Fort- und Weiterbildung von Erzieher:innen und Lehrer:innen tätig, Mitbegründer einer pädagogischen Fachzeitschrift und Autor von über 50 pädagogischen Fachbüchern.